hutung


SS 2019

Studierende

Caroline Heinzel


Projektbetreuung

Prof. Georg Winter


Studiengänge

Freie Kunst


Richtung

Public Art

Caroline Heinzel: hutung, Master 2019

Die Hutungslandschaft ist eine abwechslungs- und artenreiche Form der Weidelandschaft und deren beliebteste Darstellungsform. Ihr Bild ist ein Topos, der von arkadischem und göttlichem Frieden schwärmt. De facto wurde diese Landschaftsform mit ihren Wirtschaftsgrundlagen ‒ Allmende und gemeinschaftliche Nutzung von Ländereien ‒ durch die Vergrößerung und Einhegung von Grundbesitz und die sich intensivierende Landwirtschaft verdrängt. Der Topos hielt sich. Die Politik der Aneignung dehnte sich auf das Landschaftsbild aus und legitimierte sich in dessen Betrachtung. Landschaftsmalerei, Parkgestaltung und Fotografie schufen Wahrnehmungsmuster auf Basis eines alles beherrschenden Sehsinns.

Im Video gibt die Stimme einer jungen Frau einen historischen Überblick von der Entstehung dieser Landschaftsform bis zu ihrer Verdrängung. Ausführlich begegnet der Körper der Frage, wie sich die Landschaft neu angeeignet werden kann. Ein alternatives Landschaftsverständnis ist eines der körperlichen Beziehung zum Raum, zu den Dingen und Bedingungen. Dieses Verständnis erkennt individuelle physische Erfahrungen an und erhält gerade dadurch einen universellen Wert. Der Körper befindet sich in dem Zustand, den das Bild evozieren will: Er ist dort – in der offenen Landschaft, umgeben von Licht- und Witterungsbedingungen. Unterarme und Hände erhalten in waagerechter Position auf Höhe des Horizonts selbst Landschaftscharakter. Vor dem Anorak, der Informationen aus der Landschaft auf den Körper überträgt, heben sich Haut und Wolle ab. Der Taktilitätsaspekt, der vom visuell dominierten, komponierten und technisch realisierten Bildkonzept bedroht wird, rückt in den Fokus: Der Kontakt mit dem Material Wolle aktiviert und verändert das Haut- und Körperempfinden. Er erzeugt eine Liminalitätserfahrung am Übergang zur Landschaft. Die Wolle ist landschaftliches Material. Die Anwesenheit der Schafe prägt die spezifische Hutungslandschaft im Video. Die Flächen gehören heute zu einem Landschaftspflegehof und werden mit Gotlandschafen beweidet. Anders als moderne Schafrassen müssen sie nicht geschoren werden, sondern wechseln ihre Wolle. Sie verbleibt in der Landschaft oder wird, wie die kardierte Wolle im Video, verarbeitet.

Der Ausstellungsraum, ein Gewächshaus, ist ein eigenständiger Bildraum. Zusammen mit seiner Umgebung ist er ein Erfahrungsraum, in dem sich der Körper in Kontinuität zur Landschaft erlebt. Hier kondensiert der Gedanke, dass Aufnahmeort und Präsentationsort in Verbindung stehen – als Teil einer Landschaft, die nicht endet, sondern ineinandergreifende Transitionsbereiche verknüpft. Die Pflanzen im Gewächshaus spiegeln durch flächigen Bewuchs und vereinzeltes Volumen Formen der Hutungslandschaft wider. Im Anlegen der Rasenfläche, Begrenzen der Sukzession und Pflegen der Wildpflanzen, die ihre eigenen Rhythmen durchsetzen, zeigen sich sowohl Aspekte der Landschaftspflege, die Bewirtschaftung und Biodiversität verbindet, als auch der Aspekt der Kontrolle über ein Raumbild, dessen idealer Anblick durch einen Rahmen und einen Standpunkt außerhalb der Landschaft festgelegt wird.


Video “hutung” | 00:07:00 | Text basierend auf: Dr. Lebrecht Jeschke, The Dying of the Pastural Woodland Landscapes. In Stephan Dömpke/Michael Succow (Hg.), Cultural Landscapes and Nature Conservation in Northern Eurasia. Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V./AIDEnvironment/The Nature Conservation Bureau. Bonn 1998. S. 114 – 119 | Stimme: Hannah Reichhart

Installation “hutung” | Wildrasenmischung, Disteln und standorttypische Wildpflanzen, Wolle, Beton, ortsspezifische Objekte


Unterstützung: Landschaftspflegehof Müritzhof, Universität des Saarlandes

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