Medientheorie: Automatische Gesellschaft



WS 2025/26

Online-Veranstaltung

Tool: sonstiges


Termine

Startdatum: 15.10.2025
Enddatum: 04.02.2026
Mittwoch: 11:00 - 13:00


Lehrveranstaltung
geeignet für

Studiengänge



Veranstaltungsort

Online – im digitalen Raum


Maximale Anzahl Teilnehmer*innen

keine Teilnahmebeschränkung


Anmeldeverfahren



Veranstaltungsart

Theorie Seminar – Vorlesung – 4 ECTS Theorie Seminar – Vorlesung – 8 ECTS

ECTS

4 ECTS
8 ECTS


Leistungskontrolle

Referat/Hausarbeit/Klausur


Beschreibung

Automatische Gesellschaft

Die Geschichte der Automatisierung ist zugleich eine Geschichte des gesellschaftlichen Wandels. Einst waren es die Fabriken der Industrialisierung, in denen das „Weltproletariat“ entstand und die Hoffnung auf eine kollektive Gestaltung der Gesellschaft entstand. Heute stehen wir den sogenannten „Dark Factories“ gegenüber: vollautomatisierten Produktionsstätten, die rund um die Uhr mit KI-gesteuerten Robotern arbeiten. Hier zeigt sich, wie radikal sich die Industrie verändert hat – und mit ihr die Frage, ob klassische Industriearbeit und die damit verbundenen politischen Ideen überhaupt noch eine Zukunft haben. Doch die Automatisierung macht nicht Halt bei der industriellen Fertigung. Auch Kunst und Design sehen sich von ihr erfasst. Generative Kunst und experimentelle Ästhetiken zeigen, dass die Teilautomatisierung kreativer Prozesse schon lange eine Rolle spielt – oft spielerisch, manchmal visionär. Was wir heute mit KI-gestützter Kreativität erleben, steht also in einer historischen Kontinuität.

Automatisierung als gesamtgesellschaftliches Prinzip

Die Reichweite der Automatisierung geht weit über Kunst und Industrie hinaus. Sie erfasst Finanzmärkte, die zunehmend von Algorithmen dominiert werden, und greift sogar in staatliche Steuerungsprozesse ein. Ein Beispiel ist das „Doge-Projekt“ in der US-Administration, das weltweit Nachahmer findet. Dabei spielt die Idee sogenannter digitaler Zwillinge eine zentrale Rolle: Datenmodelle gesellschaftlicher Schlüsselsysteme, die eine optimierte Steuerung ermöglichen sollen.

Doch mit diesen Entwicklungen taucht eine grundsätzliche Frage auf: Was ist Automatisierung eigentlich? Einerseits ist sie eine Utopie, die den Menschen von Arbeit und Kontrolle entlasten kann und neue Formen der Selbstbestimmung verspricht. Andererseits schafft sie neue Abhängigkeiten – von technischen Infrastrukturen, deren Besitz, Kontrolle und Risiken höchst ungleich verteilt sind.

Macht, Kontrolle, Weltpolitik

Damit rückt die Frage nach Macht und Kontrolle ins Zentrum: Wer gestaltet die Infrastrukturen der Automatisierung? Wem gehören sie, und wer trägt die Risiken, die aus ihrer Nutzung entstehen? Hier bewegt sich die „automatische Gesellschaft“ stets zwischen den Polen von Befreiung und Unterdrückung, von Utopie und Dystopie.

Zugleich ist Automatisierung längst ein geopolitisches Thema geworden. Sie ist zu einer Ebene der Systemkonkurrenz zwischen Europa, den USA und China avanciert. In den USA befassen sich etwa die Denker der sogenannten „dunklen Aufklärung“ mit Automatisierung und formulieren dabei eine radikale Kritik an der westlichen Moderne. Sie führen die aktuelle Stagnation und den Mangel an Innovation auf historische Entscheidungen zurück, die bis in die alten Konflikte zwischen weltlicher und geistlicher Macht reichen.

In China wiederum zeigt sich ein ganz anderes Bild. Laut Dan Wongs Engineering Power bietet das Land das umfassendste Beispiel einer KI-gestützten Neuindustrialisierung. Hier greifen wirtschaftliche, gesellschaftliche und technologische Steuerungsideen ineinander und lassen ein Modell entstehen, das weit über klassische Industrie hinausgeht.

Lektionen aus der Geschichte

Auch ein Blick in die Geschichte liefert wertvolle Perspektiven. In Lateinamerika und Osteuropa finden sich zahlreiche Beispiele, in denen die Maschine als Träger gesellschaftlicher Utopien verstanden wurde. Besonders relevant ist die Geschichte der Kybernetik, die während des Zweiten Weltkriegs als interdisziplinäre Steuerungswissenschaft entstand. Sie liefert bis heute Denkanstöße, um über Steuerung, Steuerbarkeit und die Grenzen technischer Kontrolle nachzudenken.

Ein neues Mensch-Maschine-Verhältnis?

Am Ende stellt sich die vielleicht wichtigste Frage: Wie wollen wir das Verhältnis von Mensch und Maschine gestalten? Die Maschine kann uns beherrschen – oder uns helfen, die Krisen der Gegenwart zu bewältigen.

Vielleicht brauchen wir ein völlig neues Mensch-Maschine-Verhältnis, um Konflikte zu lösen, die unsere Gesellschaften allein nicht mehr meistern können. Die automatische Gesellschaft bewegt sich damit in einem Spannungsfeld: Sie kann Befreiung und Fortschritt bedeuten, ebenso aber auch Abhängigkeit und Gefahr. Ob sie zur Utopie oder zur Dystopie wird, hängt nicht zuletzt davon ab, wie wir ihre Infrastrukturen gestalten – und welche Visionen wir ihr zugrunde legen.

5 Kursthemen: Einführung: Geschichten der Automatisierung / Dunkle Aufklärung: Thiel und Palantir / Maschinenkommunismus: China und KI / Utopien (LA; Osteuropa) / Morgen (Klima, Systemgestaltung, (Wieder)Herstellung von Steuerbarkeit als “Public Value”)

Scheinoptionen: 4 ETCS (Klausur), 8 ECTS (Hausarbeit im Umfang von mind. 30.000 Zeichen).


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